Rezension

Der letzte Schwarm von Stefanie Mühlenhaupt

★★★★☆ 4/5

Rezension von Steven Lee Anderson · 31.08.2025

Dystopische Zukunftsvision im Science-Thriller-Gewand

Mit Der letzte Schwarm legt Stefanie Mühlenhaupt einen Dystopie-Thriller vor, der ein hochaktuelles Thema aufgreift: das Aussterben der Bienen. Welche dramatischen Folgen das für unser Ökosystem und die Lebensmittelversorgung hätte, stellt sie schon auf den ersten Seiten deutlich dar. Der Einstieg ist spannend und ergreifend und hat mich sofort in den Roman gezogen. Mich reizen Stoffe, die aktuelle Probleme aufgreifen und diese in eine spannende Geschichte packen. Genau darin liegt für mich auch die Stärke dieses Romans – er entwickelt ein Szenario, das leider nicht mehr fiktiv ist, sondern erschreckend real und stellt das im Rahmen einer mitreißenden Story zur Diskussion.

Die Handlung

Aber worum geht es genau? In einer nahen Zukunft, in der wilde Bienen ausgestorben sind und Hungersnöte das Leben der Menschen bedrohen, arbeitet die Molekularbiologin Sophie Bergmann an einer Lösung. Nach Jahren der Forschung gelingt es ihr, ein Bienenvolk zu züchten, das resistent gegenüber den extremen Umweltbedingungen ist. Diese Entdeckung weckt Hoffnung die Lebensmittelkrise zu beenden, doch schon bald stirbt eines der Völker ohne erkennbaren Grund. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Mike geht Sophie der Sache nach und stößt dabei auf ein Netz aus Intrigen und Machtinteressen, das nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr Leben gefährdet.

Die Figuren

Im Mittelpunkt des Romans steht die Molekularbiologin Sophie Bergmann, die einen Ausweg aus der globalen Krise sucht, indem sie resistente Bienen erforscht. Dass sie sich dabei schnell mit den falschen anlegt, setzt den ganzen Roman in Gang. Sophie ist dabei als eher zurückhaltende Figur angelegt. Sie ist keine klassische Actionheldin, die forsch voranschreitet und ständig die Handlung bestimmt, sondern sie wägt die Dinge ab und beobachtet erst, ehe sie handelt. Dadurch wirkt sie manchmal wie eine schwache Hauptfigur, gleichzeitig hebt sie sich so aber von den üblichen Heldinnen ab und entwickelt sich zu einem stillen Gegenpol in einer lauten, bedrohlichen Welt. Für mich war das einerseits ungewohnt, andererseits interessant, weil es die Perspektive verschiebt: Man schaut durch die Augen einer Figur, die sich mehr treiben lässt als handelt, und das erzeugt eine eigene Dynamik. Ergänzt wird Sophie durch Nebenfiguren wie ihren Kollegen Mike, ihre Schwester Becka und ihren Ex-Mann Tom – und dass es zwischen all diesen Figuren nicht immer harmonisch zugeht, macht den Reiz der Geschichte aus, auch wenn das Konfliktpotenzial nicht immer voll ausgeschöpft wird.

Die Wissenschaft dahinter

In der Exposition ist der Leser ganz dicht an Sophie,die die Bienen erforscht und dabei den Leser mitnimmt in eine Welt, die vielen unbekannt sein dürfte, das Züchten von Bienen und deren Gemeinschaft. Ich habe hier viel neues erfahren und fand es spannend, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Sophie und Mike erheben, geschickt in die Story einfließen und vor allem der Hauptfigur eine deutliche Zeichnung mitgeben. Schon nach wenigen Seiten hing ich gebannt an Sophies Lippen, um noch mehr über Bienen, ihr Verhalten und die Manipulation ihrer DNA zu erfahren. Als Sophie mit ihrer Forschung in ein Geflecht aus Machtinteressen und Intrigen gerät, beginnt der eigentliche Roman. Dabei öffnet der Roman verschiedene Nebenhandlungen, die auf den ersten Blick nicht immer zielgerichtet erscheinen. Oft dienen sie dazu, Sophie wichtige Informationen zukommen zu lassen, wirken aber manchmal konstruiert. Dass die Beweggründe der anderen Figuren dabei nicht immer klar werden, kann man kritisch sehen, gleichzeitig sorgt diese Erzählweise aber dafür, dass die Geschichte eine gewisse Vielschichtigkeit erhält.

Konflikte und Dialoge

Die Konflikte, die zwischen den einzelnen Figuren entstehen – etwa zwischen Sophie und ihrer Schwester oder im Verhältnis zu ihrem Ex-Mann –, werden meist sehr schnell gelöst. Für meinen Geschmack wurden die Konflikte gerade zwischen Sophie und ihrer Schwester zu schnell gelöst, meist noch innerhalb weniger Dialogzeilen, das nimmt Spannung raus und hat dem Roman an manchen Stellen Potenzial für mehr Tiefe genommen. Andererseits wird so das Tempo der Geschichte hoch gehalten, denn die Handlung verliert sich nicht in ausufernden Streitgesprächen, sondern bleibt stets auf den Hauptkonflikt konzentriert.

Der Stil

Die Sprache ist klar und schnörkellos, gleichzeitig aber atmosphärisch genug, um die bedrückende Welt lebendig werden zu lassen. Besonders gelungen fand ich die Exposition, in der Sophie ihre Forschung beschreibt. Insgesamt bleibt der Stil ruhig, ohne überladen zu wirken, und sorgt dafür, dass die Geschichte einen gleichmäßigen Lesefluss behält. Auch die eher ruhigen Passagen lassen sich dadurch angenehm lesen.

Logik und Struktur

Strukturell wirkt die Handlung in weiten Teilen schlüssig. Kleinere Unklarheiten ergeben sich dort, wo Figuren Informationen weitergeben, ohne dass ihre Motivation deutlich wird. Dennoch bleibt die Grundlinie der Geschichte nachvollziehbar. Der Roman ist insgesamt gut lesbar, die Kapitel bauen Spannung auf, auch wenn manche Konflikte schneller beigelegt werden, als ich erwartet hätte.

Genre-Einordnung

Obwohl das Buch offiziell als Dystopie und Science-Fiction gelistet ist, würde ich es eher als Science-Thriller mit dystopischem Setting einordnen. Die wissenschaftlichen Elemente sind vorhanden und bewegen sich immer im Bereich des Vorstellbaren. Das hat mich besonders fasziniert, es werden keine futuristischen Techniken der Genmanipulation vorgestellt, die so heute nicht möglich sind, sondern es wird ein Szenario entwickelt, das erschreckend realistisch ist.

Fazit

Der letzte Schwarm ist ein Roman mit einer starken und hochaktuellen Idee, der mich trotz einiger Schwächen im Figurenaufbau und in den Konflikten gut unterhalten hat. Die Grundthematik – das drohende Verschwinden der Bienen – ist derart relevant, dass allein deshalb eine Leseempfehlung ausgesprochen werden kann. Für mich persönlich bleibt es ein Buch, das gerade durch sein Thema im Gedächtnis bleibt. Das fließt auch in meine Bewertung ein, denn das Thema ist nicht nur spannend, sondern auch gesellschaftlich relevant und die Umsetzung liefert trotz Schwächen wichtige Denkanstöße. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen: eine spannende, realitätsnahe Dystopie, die durch ihre Aktualität überzeugt und zeigt, wie nah Zukunftsliteratur unserer Gegenwart sein kann.

Daten zum Buch

Erscheinungsdatum 19.09.2024
Umfang ca. 292 Seiten
ISBN 978-3-98998-464-6
Verlag dp Verlag
Cover: Der letzte Schwarm
Cover: Der letzte Schwarm